Zusammenstoß im Ärmelkanal...
24.08.1999
ÄRMELKANAL
Rätselhafte Schiffskollision
Unklar ist nach wie vor, wie das Passagierschiff "Norwegian Dream" und der Frachter "Ever Decent" vor der englischen Küste zusammenstoßen konnten: Die Sicht war klar, und beide Schiffe waren mit modernen Navigationsgeräten ausgerüstet.
London - Gegen zwei Uhr morgens schreckten die 1726 vorwiegend amerikanischen Passagiere der "Norwegian Dream" hoch. "Wir glaubten, das Schiff sinkt. Als ich den lauten Knall hörte, befürchtete ich eine neue Titanic", sagte die 16 Jahre alte Arielle Adelman aus New York. "Ich wurde regelrecht aus dem Bett geschmissen, der Fußboden wölbte sich, überall flogen Glassplitter herum", ergänzte die 22-jährige Amerikanerin Stacey Katz. Andere berichteten, wie Fernsehgeräte und Videorekorder herunterfielen.
Gleichwohl wurden bei der Havarie vor der Südostküste Englands nach Angaben der Reederei in Oslo nur drei Menschen leicht verletzt. Der Sachschaden dagegen ist erheblich. "Das Potenzial für eine Katastrophe war groß", resümierte ein Sprecher der Küstenwache in Dover.
Bei dem Zusammenstoß waren fünf Container von Bord des Frachters auf das Kreuzfahrtschiff gestürzt. Bug, Brücke und Steuerbordseite der "Norwegian Dream" wurden stark beschädigt. Das Schiff lief dennoch wie geplant den Hafen von Dover an, wo den Passagieren ein Frühstück serviert wurde.
An Bord des Frachter gerieten 15 Container nach der Kollision in Brand. Die Bekämpfung des Brandes dauerte am Dienstagnachmittag noch an. Das unter panamaischer Flagge fahrende Schiff der Reederei Evergreen Line war unterwegs zu dem belgischen Hafen Zeebrügge. Sein taiwanesischer Kapitän und die etwa 25-köpfige Besatzung blieben an Bord. Die Lösch- und Bergungsarbeiten wurden von einer holländischen Spezialfirma übernommen.
Etwa 50 der Container enthielten nach britischen Angaben "gefährliche Ladung." Eine Gefahr für die Umwelt bestehe aber nicht. Allerdings seien einige Container ins Meer gefallen und stellten eine Bedrohung für andere Schiffe dar, betonte die britische Feuerwehr.
Die auf den Bahamas registrierte "Norwegian Dream" (50.000 Bruttoregistertonnen/BRT) befand sich nach einer 13-tägigen Cruise durch russische, baltische, deutsche und skandinavische Gewässer auf der Rückreise nach Dover. Eine für Dienstag geplante neue Kreuzfahrt zum Ostseehafen Warnemünde wurde nun abgesagt. Die Passagiere sollen eine Rückerstattung erhalten.
Die Untersuchungen der Unglücksursache dürften sich nach Angaben aus britischen Schifffahrtskreisen darauf konzentrieren, wie es bei ruhiger See und klarer Sicht zu dem Zusammenstoß zwischen den beiden Schiffen kommen konnte, zumal sie auch mit modernsten Navigationssystemen ausgerüstet sind. Die 1992 gebaute und erst im vergangen Jahr überholte "Norwegian Dream" galt als "Perle" der NCL- Kreuzfahrtflotte